Wie man störrische Versicherer zum Zahlen bringt
Ärger mit der Versicherung
Erschienen im Stern vom 16.12.2013
Als der Bauzaun des Nachbarn auf das Auto von Claudia W. fiel, machte sie sich zunächst keine Sorgen. Die Reparatur kostete zwar 3500 Euro, doch ihr Nachbar versprach, seine Haftpflicht werde das übernehmen. Er leitete ihr auch gleich eine Mail der Versicherung weiter, die bestätigte, dass der Schaden aufgenommen wurde. Doch dann folgte erst mal Funkstille, auf Nachfrage konnte sich der Sachbearbeiter plötzlich auch an die Schadenmeldung nicht mehr erinnern. "Wir sind schon ein wenig genervt, denn für uns sieht es total nach Hinhaltetaktik aus. Mittlerweile sind sechs Wochen vergangen und nichts ist passiert“, ärgert sich Claudia W.
Fachanwälte wie Jürgen Hennemann kennen solche und schlimmere Fälle zur Genüge: Eine seiner Mandantinnen musste nach einem Unfall neun Jahre mit der Generali ringen, bis der Versicherer ihr noch ausstehende 250.000 Euro zahlte. Eine andere quälte sich nach einem Reitunfall ebenfalls neun Jahre durch etliche Prozesse, bis die R+V Versicherung einem Vergleich über 200.000 Euro zustimmte. "Was die Unternehmen als Schadenmanagement bezeichnen, ist in Wahrheit eine Strategie zur Leistungsabwehr“, sagt Hennemann. Gerade im Bagatellbereich würden die Versicherer immer dreister. Aus seiner Erfahrung mache es dabei keinen Unterschied, ob man von seiner eigenen Versicherung oder der eines anderen eine Leistung fordere.
93-seitige Fragebögen und andere Schikanen
Beliebtes Vorgehen der Versicherer laut Hennemann: Sie fordern immer mehr und neue Informationen zu einem Schaden und verzögern damit die Regulierung. Er erinnert sich an den 93-seitigen Fragebogen, den eine Bäckerei erhielt, nachdem ihr Produktionsgebäude durch einen technischen Defekt abgebrannt war. "Die Leute müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie sich selbst kümmern müssen, wenn sie einen Schaden haben“, mahnt Hennemann. Sich zurückzulehnen und auf den Versicherer zu hoffen, werde nicht funktionieren.
Auch Rechtsanwalt Dirk Ciper aus Düsseldorf hat schlechte Erfahrungen mit Versicherern. Er vertritt viele Mandanten in Arzthaftungsfällen. In solchen Fällen lassen Versicherer den Sachverhalt gerne vor Gericht klären, erklärt Ciper: "Je höher die Summe, desto schwieriger die Schadenregulierung“. Umso wichtiger ist es da für die Betroffenen, dass wenigstens ihre Rechtsschutzversicherung erst einmal bei den Prozesskosten einspringt. Doch auch hier versuchen einige Anbieter, sich vor der Zahlung zu drücken.
An wen sich Geschädigte wenden können
Wer mit seiner Versicherung im Clinch liegt, kann sich von verschiedenen Seiten Hilfe holen. Eine erste Anlaufstelle bieten die Verbraucherzentralen. Einige bieten nur telefonische Beratungen zu diesem Thema an, andere übernehmen die außergerichtliche Vertretung von Verbrauchern gegen einen Versicherer.
Fachanwälte für Versicherungsrecht können Verbrauchern ebenfalls helfen, ihre Ansprüche gegenüber einem Versicherungsunternehmen durchzusetzen. Wegen der damit verbundenen Kosten dürfte sich ihre Mandatierung aber nur bei größeren Schäden lohnen oder wenn man eine entsprechende Rechtsschutzversicherung besitzt.
Versicherungsombudsmann kann weiterhelfen
Für Streitigkeiten zwischen Versicherern und ihren Kunden gibt es außerdem einen Ombudsmann, an den sich Verbraucher wenden können. Der größte Teil der Eingaben hat einen Beschwerdewert von weniger als 5000 Euro. Bei Fällen von mehr als 100.000 Euro, also etwa schweren Personenschäden, ist der Ombudsmann nicht zuständig. Ansonsten sind seine Entscheidungen für die Versicherer, die sich der Schlichtungsstelle angeschlossen haben, bis zu einem Beschwerdewert von 10.000 Euro bindend, darüber hinaus kann er nur eine Empfehlung aussprechen. Auch nach einem Spruch des Ombudsmannes können Verbraucher noch den Rechtsweg beschreiten, wenn sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind. Für Auseinandersetzungen in der privaten Krankenversicherung (PKV) gibt es eine eigene Schlichtungsstelle, den PKV-Ombudsmann.
Die Bafin klärt die großen Fragen
Kunden können sich auch an die Finanzaufsicht Bafin wenden. Die Behörde darf allerdings keine verbindlichen Entscheidungen in Einzelfällen treffen. Sie kann einen Verwaltungsakt erlassen und damit hoheitlich tätig werden, wenn sie bei Unternehmen einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften feststellt – etwa weil ein Versicherer Klauseln geändert hat, ohne seine Kunden darüber zu informieren. Wenn die Aufsicht so etwas tut, dringt das allerdings nicht unbedingt nach außen, denn sie ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wenn ein Fall bereits von der Bafin bearbeitet wird, nimmt der Ombudsmann ihn übrigens nicht mehr an.