Freitag, den 16. September 2016 um 00:00 Uhr
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Wenn Schmuck zum Diebesgut wird

Juwelier Flindt in Salzhausen wurde vor vier Jahren überfallen. Der Fall beschäftigt noch immer die Gerichte.

Erschienen im Hamburger Abendblatt vom 16.09.2016


Salzhausen.  Mehr als vier Jahre ist es her, dass das Leben von Lieselotte Weyer nach einem Überfall auf ihr Geschäft eine neue Wendung nahm. Zwei Männer drangen damals in den Juwelierladen Flindt in Salzhausen ein, fesselten eine Angestellte und raubten hochwertige Uhren und Brillanten aus den Vitrinen sowie Schmuck, der im Tresor lag. Noch immer kämpfen Lieselotte Weyer und ihre Mitarbeiterin mit den seelischen Belastungen durch den Überfall, und noch immer ist der Fall juristisch nicht abgeschlossen. Nachdem sogar der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe eingeschaltet werden musste, liegt die endgültige Entscheidung nun beim Landgericht Lüneburg. Einen Verhandlungstermin gibt es bisher noch nicht.

Im Wesentlichen geht es dabei um die Grundsatzfrage, inwiefern der Juwelier für den Schmuck von Kunden, der ihm zur Reparatur übergeben und beim Diebstahl entwendet wurde, haften muss. Der BGH befand dazu im Sommer dieses Jahres: Grundsätzlich bestehe für den Juwelier keine Verpflichtung, den Kunden darüber aufzuklären, wie seine Versicherungsverhältnisse aussähen. Eine Ausnahme könne in zwei Situationen gelten, nämlich wenn die Schmuckstücke einen extrem hohen Wert hätten oder wenn es branchenüblich sei, Kundeneigentum zu versichern.

Aus Sicht von Jürgen Hennemann, dem Anwalt Lieselottes Weyers, ist der Fall damit so gut wie geklärt. "Der Bundesverband der Juweliere in Köln hat dazu Befragungen der Mitglieder und der führenden Versicherer in diesem Bereich gesammelt", sagt er.

Herauskam, dass keine Branchenüblichkeit besteht. Auch hat der BGH verneint, dass im strittigen Fall ein besonders hoher Wert vorgelegen hat. Hennemann ist optimistisch, dass der Rechtsstreit damit faktisch beendet ist. Es komme selten genug vor, dass Berufungsgerichte ihrerseits die Revision zum BGH zulassen, sagt er.

Zwei Jahre zuvor hatte die Situation für Lieselotte Weyer düsterer ausgesehen. Zwei ihrer Kunden hatten vor dem Amtsgericht Winsen auf Schadensersatz geklagt. Ihrer Meinung nach hätte die Juwelierin sie unaufgefordert darüber informieren müssen, ob sie auch eine Versicherung für Fremdeigentum besitze. Bei Lieselotte Weyer war das nicht der Fall. Das Amtsgericht folgte der Argumentation der Kläger, die Juwelierin sollte für den Schaden gerade stehen.

Für Jürgen Hennemann wurde es ernst. Er legte beim Landgericht Lüneburg Berufung gegen das Urteil ein. Es kam tatsächlich zur Wende: Das Gericht hob das Winsener Urteil auf, da es kein Verschulden des Juweliergeschäfts erkennen konnte und leitete den Fall zur grundsätzlichen Klärung an den BGH weiter.

Lieselotte Weyer hofft nun so wie ihr Anwalt, dass das Landgericht Lüneburg das BGH-Urteil zu ihren Gunsten auslegt. "Wie das Amtsgericht Winsen entschieden hat, war nicht nachvollziehbar", sagt sie rückblickend. Jetzt ist die 69-Jährige, die den Laden 43 Jahre lang in dritter Generation geleitet hatte und mittlerweile verkauft hat, optimistischer.

Auf ihre Weise optimistisch ist auch Sigrid Sager. Die Tierheilpraktikerin aus Westergellersen war eine der zwei Kunden, die gegen die Juwelierin vor Gericht gezogen war. Sie hatte eine Perlenkette und eine Armbanduhr zur Reparatur in das Juweliergeschäft Flindt gebracht und fiel aus allen Wolken, als sie erfuhr, dass ihre Schmuckstücke bei dem Diebstahl ebenfalls gestohlen worden waren. Es geht um einen Wert von 4500 Euro.

Sie wartet nun darauf, wie das Landgericht Lüneburg den Fall abschließend bewertet und will dann mit ihrem Anwalt entscheiden, wie sie weiter verfährt. Ihr Standpunkt in der Angelegenheit ist nach wie vor klar: Sie hat die Perlenkette und die Uhr einem gewerblichen Betrieb anvertraut, deshalb muss der auch haften.

In diese Richtung hatte auch ihre Hausratsversicherung argumentiert, an die sich Sigrid Sager ebenfalls gewandt hatte. Die Außenversicherung der Hausratsversicherung greife nur dann, wenn der Schmuck in ihrem Zugriff sei, so der Tenor. Aus Sicht der Westergellerserin blieb ihr nichts anderes übrig, als den Schadensersatz bei der Juwelierin geltend zu machen.

Begründungen dieser Art hört Jürgen Hennemann, der auf Versicherungsrecht spezialisiert ist, immer wieder. Dabei wirft er die grundsätzliche Frage auf, wieso sich Lieselotte Weyer dafür rechtfertigen müsse, überfallen worden zu sein. Seiner Ansicht nach hätte es für die Kunden durchaus sinnvoller sein können, gegen die Hausratsversicherung zu klagen als gegen die Juwelierin.

Ansonsten sieht er in dem Salzhausener Fall einen Präzedenzfall, der vielen Juwelieren bei Diebstählen zukünftig Klarheit verschaffen wird. "Die Branche kann dann weiterhin frei entscheiden, ob sie Kundeneigentum versichert oder nicht."